Hochwasserschutz vs. Grasmahd in der Gemeinde Gerstungen
Mit Rückblick auf die Ereignisse der letzten Monate und den Hinweisen vieler Bürger in unserer Gemeinde möchten wir in diesem Artikel zu der Thematik noch einmal Stellung nehmen.
Oft wurden in Gesprächen mit Bürgern die vermeintlich fehlende oder unterlassene Pflege der Fluss- und Bachläufe sowie der Flutgräben in Verbindung mit den Hochwasserereignissen gebracht.
Am Beispiel der Gemeinde Mosbach im Wartburgkreis wurde deutlich, dass die eigentliche Ursache für die zerstörenden Flutmassen in der Ortslage oft in der Historie zu finden ist.
In der Vergangenheit wurden Flussläufe begradigt, teilweise umverlegt, Gewässerprofile sind eingeengt worden, das jeweilige Gewässerbett oder auch Uferbereiche wurden gepflastert oder gar betoniert, Überflutungs- und Retentionsflächen wurden bebaut oder komplett ihrer Funktion entzogen. All diese Maßnahmen wurden meist vor dem Hintergrund des zügigen Abtransports der anfallenden Wassermassen vorgenommen. Somit ist oft das Problem aus dem Oberlauf der Flüsse auf den Unterlauf verlagert worden.
Hinzu kamen auch viele Bausünden. Das Thüringer Wassergesetz ThürWG § 29 regelt eindeutig unter Einbezug des Wasserhaushaltsgesetzes WHG § 38, dass ein Abstand der Baukörper von 5 m im Innenbereich und 10 m im Außenbereich zur Böschungskante des Gewässers einzuhalten sind. Es ist aber an vielen Punkten zu beobachten, dass besonders Gartenhütten, kleine Unterstände, Holzlager, Stallanlagen und ähnliches in diesem Schutzstreifen bestehen. Darüber hinaus wird es in vielen Ortslagen als üblich angesehen, Grünschnitt und Laub am Gewässer abzulagern oder gar in das Gewässer hineinzuwerfen. Generell stellt dieses Verhalten eine mit Strafe belegte Ordnungswidrigkeit dar. Gerade auch vor dem Hintergrund der Gespräche in den gemeindlichen Ausschüssen soll zukünftig im Gemeindegebiet diesen Verstößen verstärkt nachgegangen werden.
Bei schlagartig aufgetretenen Hochwasserereignissen entstanden so oft große Mengen an Treibgut, welche unmittelbar Abflusshindernisse in den Gewässern aufbauten. Herausgeschwemmte Betonplatten, Bedachungs- und Wandbauplatten von Gartenhütten und Grasschnitt verstopften so Durchlässe und Brückenbauwerke, teilweise entstanden auch ganze Dammbauwerke in den Gewässern. Ein anschließendes Aufstauen und Überlaufen über die Böschungsoberkanten und damit ein Eindringen von Wasser in großen Mengen in andere Bereiche der Ortslage waren die Folge.
Die in den letzten Monaten oft kritisierte Mahd an den Gewässern steht damit in keinem Zusammenhang.
Prinzipiell sei vorangestellt, dass nach Bundesnaturschutzgesetz jedes Fließgewässer per se ein Biotop ist. Für den Umgang mit unseren Bächen und Flüssen ist einschlägige Literatur auch im Internet für jedermann zugänglich. An dieser Stelle sei auf das „Handbuch zur naturnahen Unterhaltung und zum Ausbau von Fließgewässern“, herausgegeben von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, hingewiesen.
Generell stellt das Mähen der Böschung eine klassische Unterhaltungsmaßnahme dar. Ziele der Böschungsmahd sind das Freihalten des Abflussquerschnitts, das Verhindern von Gehölzaufwuchs und das Erhalten einer geschlossenen Grasnarbe.
Dabei wird eine Mahd von zweimal pro Jahr (eine Frühjahrsmahd und eine Herbstmahd) als ausreichend betrachtet. Auf diese Art und Weise können sich besser Gräser und Uferstauden entwickeln. Eine natürliche Sicherung der Ufer- und Böschungsbereiche ist die Folge. Vielmehr wird sogar damit erreicht, dass bei auftretendem Hochwasser die Halme der Pflanzen sich mit der Strömung umlegen und einen leichteren Abfluss gewährleisten.
Sicherlich ist der Anblick von bewachsenen Gewässern und Ufergräben in der Ortslage ungewohnt, da in der Vergangenheit recht intensiv eingegriffen wurde. Das Ausbilden von Pflanzenbeständen in den Böschungen führte oft zu Diskussionen und findet aktuell wenig Akzeptanz in der Bevölkerung. Allerdings werden auch parallel derzeitig viele Debatten zum Thema Artenvielfalt und Insektenschutz in den Medien geführt. Mit dem geschilderten Vorgehen und den Empfehlungen vom Gesetzgeber und den Fachgruppen aus Natur und Wissenschaft möchten auch wir aus der Gemeinde Gerstungen dieser Sache Rechnung tragen.
In der Umsetzung ergeben sich somit für die Gemeindeverwaltung die Aufgaben des Hochwasserschutzes und die Unterhaltung der Fließgewässer, ausgenommen ist die Werra (Gewässer erster Ordnung).
Ausblick auf die kommenden Jahre
Aktuell läuft ein Antrag der Gemeinde zur Erstellung eines integralen Hochwasserschutzkonzepts (iHWSK) beim Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) für ein zukünftig zielgerichtetes Vorgehen.
Für die Unterhaltung der Fließgewässer und der damit verbundenen Sicherstellung der Durchgängigkeit sind seit dem 1.1.2019 die Aufgaben der Gemeinde an den Gewässerunterhaltungsverband (GUV) per Gesetz übertragen worden. Für das Gemeindegebiet Gerstungen sind die beiden Gewässerunterhaltungsverbände Hörsel/Nesse und Felda/Ulster/Werra zuständig.
Um jedoch einmal die Verantwortlichkeiten am Gewässer zu verdeutlichen, soll die Skizze aus Bild 4 dienen.
Wie bereits dargelegt ist es das Ziel, innerorts zwei Mal pro Jahr (Frühjahr und Herbst) eine Mahd an einem Ort durchzuführen. Sollte durch zu starken Bewuchs von Gehölzen, Schilf, Röhricht oder dergleichen ein Abflusshindernis entstehen, so wird auch zwischenzeitlich eingegriffen. Um jedoch auch den Wünschen der Bürger Rechnung zu tragen und natürlich auch ein gepflegtes Ortsbild zu erreichen, soll straßen- und gehwegseitig in regelmäßigen Abständen bis 30 cm oberhalb der Mittelwasserlinie gemäht werden.
Quelle Bild 5 und Bild 6:
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, „Blühende Vielfalt am Wegesrand Praxis-Leitfaden für artenreiche Weg- und Feldraine“
LANUV-Info 39
Eigenbetrieb „Gerstungen Grün & Service“