Warum geht es unserem Wald so schlecht?
Informationen des Fortsamtes Marksuhl
Klimawandel und Wald
Was passiert in den Wäldern des Forstamtes Marksuhl?
Der Klimawandel und auch seine Auswirkungen auf den Wald sind in aller Munde. Trockenheits- und Hitzerekorde in kurzer Folge – was passiert mit unseren heimischen Wäldern? Wie reagiert die Forstwirtschaft in unserer Region. Waldbesucher haben derzeit viele Fragen. Der Leiter des Forstamtes Marksuhl, Ansgar Pape, möchte im Folgenden auf häufig gestellte Fragen antworten.
Warum geht es dem Wald so schlecht?
Nach zwei Stürmen im Jahr 2018 und den darauf folgenden extrem trockenen Jahren kam es zu massiven Absterbeerscheinungen im Wald und zu Massenvermehrungen von schädigenden Insekten. Das „Immunsystem“ der Bäume gegen Insekten und pilzliche Erreger war und ist stark geschwächt.
Wie geht es den Fichten?
Im Bereich des Forstamtes nahm die Fichte bis 2018 einen Anteil von etwa 33 % ein. Die Fichte gilt in den meisten Bereichen des Forstamtes als gefährdet oder ohne langfristige Überlebenschance. Dies ist die wissenschaftliche Einschätzung aufgrund der klimatischen Entwicklung hinsichtlich Niederschlägen und steigenden Temperaturen.
Das führt dazu, dass unsere Fichten gegen die seit 2018 herrschende Massenvermehrung von Borkenkäfern deutlich schlechter gewappnet sind als in höheren Lagen des Thüringer Waldes. In Folge dieser Massenvermehrung sind inzwischen ein Großteil unserer Fichten abgestorben, mussten geerntet werden oder verbleiben abgestorben im Wald.
Wie geht es den Buchen?
Die Buche ist mit 42 % die häufigste Baumart im Forstamtsbereich. Buchenwälder prägen das Bild im westlichen Thüringer Wald. Massive Trockenschäden auch an der Buche bereiten uns große Sorgen. Viele Exemplare können ihre höchsten Kronenbereiche nicht mehr mit Wasser versorgen und trocknen vom oberen Ende ein. Geschwächt in ihrer Abwehr kommen oft Insekten- und Pilzbefall hinzu, was schließlich zum kompletten Absterben führt. Betroffen sind vorwiegend die ältesten und damit leider die dicksten und höchsten Bäume. Die Trockenschäden in Thüringen sind so umfangreich, dass sie selbst auf Satellitenbildern erkennbar sind. Inwieweit das Wurzelsystem durch die Trockenheit geschädigt wurde und weitere sterbende Bäume zu befürchten sind, werden erst die nächsten Jahre zeigen. Die hohe Anzahl an toten Ästen in den Buchenkronen stellt auch für Waldbesucher eine deutlich erhöhte Gefahr dar.
Haben andere Baumarten auch Probleme?
Viele andere Baumarten kämpfen ebenfalls mit den Auswirkungen des Klimawandels bzw. mit vermehrt auftretenden Schadorganismen. So beobachten wir seit etwas mehr als 10 Jahren das sogenannte Eschentriebsterben, welches teilweise zum Totalausfall der Esche als Mischbaumart führt. Beim Bergahorn tritt im Forstamt seit einiger Zeit verstärkt die Rußrindenkrankheit auf, ein Pilzbefall, welcher ebenfalls das Absterben der befallenen Bäume zur Folge hat. Selbst an der Baumart Kiefer gibt es eine Vielzahl von Insekten und Pilzen, welche dieser Baumart stark zusetzen.
Hat die Forstwirtschaft Schuld am Waldsterben?
Die aktuelle Entwicklung ist klar eine Folge des Klimawandels. Natürlich sind Wälder unterschiedlich stark gefährdet. Wälder, welche aus nur einer Baumart bestehen, tragen ein deutlich höheres Risiko als gemischte Wälder. Tatsächlich gibt es im Forstamt Marksuhl nur 12 % Fichtenreinbestände, allerdings 23 % Buchenreinbestände. Auch reine Buchenwälder sind stärker trockenheitsgefährdet als gemischte Buchenwälder. Ziel der Thüringer Forstverwaltung ist seit mehr als 30 Jahren der Aufbau gemischter und strukturierter, ungleichaltriger Wälder. Diese Aufgabe kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern sie benötigt auch sehr viel Zeit. Es ist aus meiner Sicht fehl am Platz, für Entscheidungen, die vor 40, 80 oder 100 Jahren getroffen wurden, heute Schuldige zu suchen. Um zu wissen, wer Schuld an der Misere ist, sollte jeder von uns in sich gehen.
Warum sieht es im Wald derzeit so „chaotisch“ aus?
Viele Waldbesucher sehen Kahlflächen, abgestorbene Bäume, eine Vielzahl gefällter Stämme oder zerfahrene Waldwege.
Seit drei Jahren werden vorwiegend geschädigte bzw. absterbende Bäume geerntet. Ein wesentlicher Grund ist die Eindämmung der Massenvermehrung von Schadinsekten. Leider war der Borkenkäfer bei der Vermehrung oft schneller als die Bäume geerntet werden konnten. Diese toten Bäume werden jetzt vorrangig entlang der Waldwege geerntet, um die Gefahr für Mitarbeiter, aber vor allem auch für Waldbesucher, zu reduzieren – gänzlich ausschließen kann man sie nicht!
Oft muss das Holz aus verschiedenen Gründen liegen bleiben, entweder weil es nicht mehr verwertbar ist, oder aufgrund von Naturschutzverordnungen liegen bleiben muss oder Brennholzwerber lieber Laub- als Nadelholz aufarbeiten.
Da oft links und rechts der Wege eine komplette Baumreihe entnommen werden musste, planen wir im nächsten Jahr ein „Alleenprogramm“. Entlang der Waldwege sollen Alleebäume gepflanzt werden, die auch optisch den Wanderer erfreuen. Hier kommen Baumarten wie Vogelkirschen, Kastanien, Linden oder Nussbäume infrage.
Tote Fichten abseits der Wege, von diesen geht keine Borkenkäfergefahr mehr aus, dürfen und sollen stehen bleiben. Sie bieten Schutz vor Erosion, Schutz vor Spätfrost und massiver Sonneneinstrahlung und führen zu einer gewissen Windruhe auf den Flächen.
Die Wege, die durch Schlamm und Fahrspuren beeinträchtigt sind, werden im Laufe des Jahres einer „Schönheitskur“ unterzogen.
Welchen Einfluss hatten Frost und Schnee?
Das kurze Gastspiel des Winters hat dafür gesorgt, dass durch die Schneeschmelze und den aufgrund der Schneeauflage nicht vorhandenen Bodenfrost das Schmelzwasser gut einsickern konnte. Die gerade angepflanzten Kulturen haben gute Startbedingungen. Die Werte zur Bodenfeuchte haben sich leicht erholt, aber ein trockenes Frühjahr kann die Verhältnisse sehr schnell umkehren. Den meisten Schadinsekten konnte der Frost leider nichts anhaben und selbst die Mäusepopulation im Wald dürfte nicht gelitten haben.
Müssen Kahlflächen wieder aufgeforstet werden?
Kahlflächen sind im Forstamtsbereich durch Stürme und Borkenkäfer entstanden. Auf diesen Flächen muss gemäß Thüringer Waldgesetz innerhalb von sechs Jahren wieder Wald vorhanden sein. Dort wo man alternative Baumarten (z.B. Eichen, Weißtannen oder Douglasien) im Rahmen des Waldumbaus einbringen möchte, wird man aktiv pflanzen müssen. Auf vielen Flächen zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass Nachwuchs verschiedenster Baumarten vorhanden ist. Hier reicht oft ein Schutz vor Wildverbiss oder besser eine straffere Bejagung der Rehe, um eine baumartenreiche neue Waldgeneration zu erhalten. Insgesamt verfügen unsere Wälder der Region über eine hohe Verjüngungsfreudigkeit und man kann auch – aber nicht nur – den Selbstheilungskräften der Natur einiges zutrauen.
Wie gehen Forstleute und Waldbesitzer mit der Situation um?
Die vor drei Jahren beginnende Entwicklung in den Wäldern war insbesondere für Waldeigentümer und Forstleute schockierend. Ein Kollege spricht von „Evolution im Zeitraffer“. Seit nunmehr 3 Jahren arbeiten die zuständigen Revierförster oft an der Grenze der Belastbarkeit, um die negativen Auswirkungen des aktuellen Waldsterbens für Waldeigentümer und für die Gesellschaft so gering wie möglich zu halten. Die aktuelle Situation ist verständlicherweise auch eine emotionale Belastung für alle im Wald Tätigen und mit dem Wald verbundenen Menschen.